Tagebuch 2013
Freitag, 22. November 2013
Ute Schendel: Ins Land schauen (Landschaften). Finissage der Ausstellung in der Galerie Karin Sutter, Basel
Unter der Bezeichnung «Ins Land schauen» zeigt die Galerie Karin Sutter eine exquisite Auswahl neuerer und älterer Bilder von unterschiedlichsten Orten. […] Obwohl die Fotografin und damit auch die Betrachter in den Landschaften drin sind, entsteht in der Ausstellung der Eindruck von Fensterbildern: Man schaut «Ins» Land und ist frei in der subjektiven Entscheidung. Die Ambivalenz eines permanenten Sichtwechsels macht die Bilder Ute Schendels zu zeit- und ortlosen Texturen.
(Basellandschaftliche Zeitung, 6.11.2013)
Samstag, 23. November 2013
In Uwe Johnsons Werk Jarestage bildet die gute "alte Tante", das ist die New York Times, ein zentrales Motiv. Unsere gute alte Tante ist die Neue Zürcher Zeitung. Die einzige Zeitung mit einem anständigen, nicht von reißerischen Aufmachern und Farbfotos entstellten Layout. Die Zeitung mit den fünf Spalten und dem eigenen (vierspaltigen) Kulturbund, dessentwegen wir ihr auch den überdimensionierten Wirtschafts- und Börsenteil nachsehen. Aufregen möchte man sich allerdings mehr als manchmal, wenn's um Dinge wie Innenpolitik und Meinungsbildung geht – aber man weiß, woran man mit der Dame ist und kann sich's einrichten. Wir jedenfalls, unter der Fuchtel der BAZ lebend, an die wir auch einmal geglaubt haben, brauchen sie mehr denn je.
Also denn: Es lebe die alte Tante!
Sonntag, 24. November 2013
Das Schweizer Stimmvolk hat entschieden, wie es entschieden hat: die Bestverdiener sollen besser verdienen dürfen (Schneider-Ammann: "Zurück zur Vernunft"), die Autobahnfahrer sollen nicht zur Kasse gebeten werden (Doris Leuthard: "Das tut dem Bundesrat leid für die betroffenen Regionen"). Die SVP hat ihre Familienpolitik nicht an Mann und Frau gebracht, weshalb sie jetzt alles auf den Kampf gegen die Masseneinwanderung setzen will. Logo.
Und Basel, «die Stadt der lieben und der bösen Reichen» (Das Magazin)? Die Basler dürfen ihren 96 Meter hohen Claraturm bauen, was zumindest 52 Prozent der Städter zu erfreuen scheint.
Montag, 25. November 2013
Pressemitteilung (23.54h) von KD Wolff, Stroemfeld Verlag, Frankfurt:
Am Montag, dem 25. November 2013 ist der Schriftsteller Peter Kurzeck den Folgen mehrerer Schlaganfälle erlegen.
Peter Kurzeck, geb. am 10. Juni 1943 im böhmischen Tachau, kam mit Mutter und Schwester im Mai 1946 nach der Vertreibung ins oberhessische Staufenberg. Schule und Lehre in Staufenberg und Gießen, berufliche Tätigkeit zuletzt als Personalchef bei der US-Army. 1977 Umzug nach Frankfurt am Main, 1979 erschien bei Stroemfeld/Roter Stern sein erster Roman: Der Nußbaum gegenüber vom Laden, in dem du dein Brot kaufst. Prekäre Situation als freier Schriftsteller, 1982 erschien der Frankfurt-Roman Das schwarze Buch, 1987 die erste Fassung des vielbeachteten Dorfromans Kein Frühling, 1990 der Roman Keiner stirbt. Seit 1992 arbeitete Peter Kurzeck an seinem großen autobiographischen Romanprojekt Das alte Jahrhundert. Fünf Romane sind davon erschienen, zuletzt 2011 Vorabend.
Einem breiteren Publikum wurde Peter Kurzeck durch seine Erzähl-CD-Box Ein Sommer, der bleibt bekannt, einer mündlichen Form des Erzählens: frei gesprochen, schriftlich nicht fixiert, beschwört Kurzeck das Dorf seiner Kindheit.
(Bild: Peter Kurzeck an einer Lesung im Oktober 1212
in der Lesegesellschaft Basel)
Dienstag, 26. November 2013
Isabel Schaltenbrand-Sträuli. Ich kenne die Frau nicht, die laut Anzeige «nach einem langen und reich erfüllten Leben … von ihren Altersbeschwerden erlöst» worden ist. Der Name wird weiter leben, hoffe ich. Solche Namen, um die sich alle Romane reissen müssten, kann man nicht erfinden.
Aus den Merksätzen der alten Tante:
«Bildung wird zunehmend zu einer internationalen Währung.»
… weshalb die HWZ (Hochschule für Wirtschaft Zürich) in der gleichen Nummer als Option eines "karrierebegleitenden Studierens" die Ausbildung zum Master of Science (Msc) vorschlägt, zu deutsch: Konsekutiver Master in Business Administration, Major in Strategic Management.
Wohl bekomm's! sagt Hebel dazu. Der Johann Peter Hebel von den Kalendergeschichten. Er weiss auch von anderen Seltsamkeiten zu berichten:
Dass es nicht nur auf der Erde und im Wasser, sondern auch in der Luft Eidexen gebe, nemlich solche, die da fliegen, wird mancher nicht gerne glauben. Aber wenn ihm ein Fabelhans von Drachen spricht, die auf hohen Felsen und in alten zerstörten Bergschlössern hausen, und feuerspeyend durch die Luft schiessen, Brunnen vergiften, den Reiter und das Roß mit Sporn und Hufeisen Schluck und Druck verschlingen, das findet man schon glaublicher, weil einem der kalte Schauer vom Kopf bis zum Nagel des Zehens über die Haut lauft, wenn man's hört.
Mittwoch, 27. November 2013
Der FC Basel soll gestern abend schon wieder für uns – für tout Bâle, für die ganze Confoederatio Helvetica – gewonnen haben: gegen die Engländer. Die BaZ ist stolz: "Basel unter Starkstrom!" Und auch die NZZ ist begeistert und zitiert empathisch einen Reporter:
Mourinhos eisiger Atem war deutlich sichtbar, als er an der Seitenlinie stand, aber im Inneren kochte er sicher vor Wut, weil seine Spieler Mal für Mal sorglos den Ball dem Gegner zuspielten.