Das Haus. Ein Bericht
Text: Walter Morgenthaler
Fotos: Ute Schendel
Einleitender Text: Peter Zumthor
St. Gallen: Vexer Verlag 2011
In diesem Text werden die Räumlichkeiten eines Rheintaler Hauses, Zimmer für Zimmer, abgeschritten und die Spuren entziffert, die sich in ihnen als Geschichte der Hausbewohner abgelagert haben.
Zum Beispiel: Die Stube
Das Möbelstück im HIntergrund, der Buffert, besteht aus einer Kombination von Kästchen, Schubladen, Abstellflächen und Regalen. Hinter den Fenstertürchen im oberen Drittel versteckt sich die gesamte Familienbibliothek: ein paar Kinderbücher mit eingeklebten, gegen Silvapunkte eingetauschten Bilderserien (Onkel Toms Hütte, Robinson Crusoe, Tiere aus aller Welt), drei, vier Romanwerke aus der Neuen Schweizer Bibliothek, Pfarrer Künzlis Pflanzen- und Kräuterheilbuch sowie, in lilafarbenem Schuber, lilafarbene Hefte mit fachkundigen Eheratschlägen, inbegriffen einen „Periometer-Kontroller“ zur Feststellung der fruchtbaren und unfruchtbaren Tage nach dem Prinzip von Knaus. So sind wir also doch vorgedrungen und haben die Türchen geöffnet und zu lesen begonnen und blättern jetzt auch noch in den Familienalben mit ihren Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten, von den Urgrosseltern bis zu den Kindern und Kindeskindern. Es fehlen auch nicht die runden Geburtstage: Vater wird sechzig, Mama wird sechzig, siebzig, achtzig, und alle sind da, die noch da sind, und eines Tages ist doch der Vater verschwunden und eines andern Tages auch die Mutter, so dass es die Bilder nicht mehr braucht und wir den Buffert räumen können und rückwärtig die letzten Zeitungen von der Ablage holen.
Das Dorf – ein Bericht
Thema dieses Projekts ist das Dorf im Werdenberger Rheintal, in dem das Erzähler-Ich vor Jahrzehnten geboren und aufgewachsen ist und das es mit herannahender Pubertät gerade noch rechtzeitig, wie es glaubte, verlassen hat.