Tagebuch - November 2014

Dienstag, 25. November 2014

Die größte Bibliothek in Zürich zum Beispiel. Von einem Tag auf den anderen fast verjüngen sich Crew und Gebräuche, die dann eben keine Gebräuche mehr sind, sondern Direktiven, die, um sich gegen das Bisherige zu behaupten, keine Ausnahmen mehr dulden. Wer was will von solchen Monopol-Instituten, ist Bittsteller, nicht Kunde, und wird getreu den Regularien in den Senkel gestellt.
 

Montag, 24. November 2014

Kann es sein, dass man im Alter radikaler wird und widerborstig, wenn's sein muss? Vor allem gegenüber den Institutionen, die ihren Stil wechseln und glauben, sich, um jung zu wirken, bedenklichen Tendenzen der Gegenwart anschließen zu müssen?
 

Donnerstag, 20. November 2014

Madame Bovary. — Zwischenhalt in der klassischen Literatur. Seit Tagen versenkt in Flauberts Meisterwerk, angesichts dessen einem fast bange wird um den deutschen Realismus. Die unvergleichliche Szene des Treffens von Emma mit Léon in der Kathedrale. Léon nur ein Ziel im Kopf, Emma im blinden Widerstreit der Gefühle und der «Schweizer», der sich unerbittlich dazwischenklemmt, um die Schätze seiner Kirche in allen Details zu erläutern. Dann der fast kriegsmäßige 'Abgang' mit der Kutschenfahrt, die reales Geschehnis und Metapher zugleich ist. Nicht zu überbieten.
 

Mittwoch, 19. November 2014

Literaturhaus Basel. Thomas Sarbacher liest aus Dostojewskis Roman Der Idiot. Dass das so spannend sein kann! Die irrwitzige Szene der Geburtstagsfeier von Nastassja Baraschkow, mit tollem Tempo gelesen. Wahrscheinlich muss man diese Texte so schnell lesen, dass man nach Atem ringend hinterher hechelt. (Wäre bei Gottfried Keller völlig unangemessen).
 

Dienstag, 18. November 2014

Literaturclub. — Streitpunkt Pynchon («Bleeding Edge»). Was von vorneherein so klar wie wasweißich ist: Safranski wird null und nix damit anzufangen wissen. Auch seine Ablehnung («anschmeißerisch», «bildungshuberisch») wird er, wie immer, weit ausholend und ermüdend langsam vors Publikum bringen. Thomas Schütt gibt Gegensteuer und plädiert (fast ein klein wenig euphorisch) für Tiefgang und Aufschluss im Werk (übers Internet oder über Nine Eleven). Auf den Inhalt in Pynchons Roman zu setzen, scheint nun allerdings auch mir nicht gerade das angemessenste zu sein.
 

Donnerstag, 13. November 2014

Journalismus. — Am Donnerstag jeweils liegen drei Zeitungen in meinem Briefkasten. Die «NZZ», die ich für teures Geld abonniert habe, unbestellt der «Vogel Gryff» («Die Zeitung für das Kleinbasel») und, ebenfalls unbestellt, die «BAZ Kompakt». Das BAZ-Blatt erscheint zwar offenbar wöchentlich drei Mal und kostet zwei Franken pro Exemplar, liegt aber seit Monaten jeden Donnerstag gratis auf, und ich warte nur drauf, bis sie mir ein Jahresabo offerieren und zusätzlich die 240 Franken überweisen, die mich das Abo kosten würde, wenn ich es nicht sowieso geschenkt bekäme. Gerne würde ich das Geld kassieren, aber nur unter der Bedingung, dass mir dann auch das Blatt nicht obendrein zugeschickt wird. Es ist nämlich ein Nichts, ein schludrig gemachtes Unding, mit einmontierten Bildern zum Gotterbarm (oft freigestellte Personen, die aussehen wie ausgeschnittene Pappfiguren: Körperverletzung!). Am nervigsten ist die Klatschtante Tamara Wernli,die sich mit ihrer Unbedarftheit auch noch brüstet. Sie bringt es zustande, jedem der von ihr traktierten Gegenstände die Luft auszulassen, so dass am Schluss nur noch die Namen, die «People» dastehen. Es gibt im Vogel Gryff die Klatschspalte «Tante Clara meint …». Das ist dann konsequentes Name-Dropping, von keines Gedankens Blässe angekränkelt, und mir bei weitem lieber.

Immerhin: Ich weiss jetzt, nach dem heutigen Donnerstag definitiv, wieso ich für die NZZ vier Franken und zwanzig Rappen hinzublättern bereit sein muss.