Tagebuch - Juni 2014

Montag, 2. Juni 2014

Als alter Militärtrompeter erfahre ich, dass es jetzt auch Kompetenzzentren für Militärmusik gibt: in Aarau und Bern, wo die Rekrutenspiele eingefuchst werden. Außer «Trompeter» und «Tambouren» werden da neu auch «Schlagzeuger» ausgebildet. Diese «Orchester» können für zweckdienliche Anlässe gemietet werden, für das Basler Tattoo zum Beispiel, das uns nächstens wieder ins Haus steht (dazu später).

Als «Kulturträger der Extraklasse» profiliert sich das «Schweizer Armeespiel». Diesem gehört neben der «Swiss Army Big Band» (hmm!) u. a. auch ein «Symphonisches Blasorchester» an, eine «Eliteformation», die nationale und internationale Galaanlässe bereist (hmmhmm!). Soweit scheint die Schweizerische Armee zu funktionieren – auch ohne Gripen.
 

Dienstag, 3. Juni 2014

Tiefgefroren und durchgerüttelt. — Die Juni-Ausgabe des NZZ-Folios entdeckt die «Revolution im Totenreich»: die umweltgerechte Kompostierbarkeit des menschlichen Leichnams. Ernsthaft. Patent-Inhaberin ist die schwedische Biologin Susanne Wiigh-Mäsak.

Der Tote wird in einem Promator auf minus 18 Grad Celsius herungergekühlt und anschliessend bei einer Temperatur von minus 196 Grad in flüssigem Stickstoff schockgefroren. Nun ist der Leichnam brüchig wie Glas. Schallwellen in einer Vibrationskammer lassen ihn in eine grobe, geruchsfreie Substanz zerfallen. In einer Vakuumkammer wird dieser Substanz die Flüssigkeit entzogen, bevor im letzten Schritt ein Metallseparator sämtliche Fremdkörper wie Zahngold, künstliche Gelenke und Herzschrittmacher entfernt. Von einem 75 Kilogramm schweren Menschen bleiben rund 25 Kilogramm graurosa Granulat übrig, rein organisches Material. Das wird in eine kompostierbare Kiste aus Maisstärke gebettet und in nur 35 Zentimetern Tiefe vergraben. Sechs bis zwölf Monate später ist der Verstorbene komplett zu Erde geworden.

(NZZ Folio, Juni 2014, S. 31)

Bis heute morgen war ich, mit meiner Fäulnis- und Erstickungsphobie, bedingungslos für die Kremation. Und jetzt?
 

Freitag, 6. Juni 2014

Sollte ich nicht besser Englisch lernen – Grundwortschatz, Aufbauwortschatz, Konversationsfloskeln in einundvierzig Themenbereichen –, sollte ich nicht Englisch lernen und/bzw. das Gerlernte und Verlernte «updaten», um mich zwischen all den Open Excessen, Advanced Studies, Calls, News- und Chatrooms zurechtzufinden? Sollte ich nicht besser Englisch lernen, als in Vergangenheiten rumzugrübeln, über Gegenwärtigkeiten zu meckern und mich vor Zukünften zu bekreuzigen? – Einmal versuchte ich's mit Chinesisch, wegen der Zeichen, die wie verwunschene Suchbilder über dem Verlauteten kucken. Das hätte mich verlocken und festigen mögen gegen die wuchernde Flachspeederei. Ich hab's nicht geschafft, leider nicht. Muss ich nun Englisch lernen?
 

Pfingstsonntag, 8. Juni 2014

Heißeste Pfingsten seit 1945. Wenn das nicht der Wapfigei ist, was dann?
(Wapfigei = wahrer Pfingstgeist, aus dem Munde eines Pfarrers und Psychoanalytikers)
 

Montag, 9. Juni 2014

Unwörter sammeln: Kompetenzzentrum, Nachhaltigkeit, Zeitfenster, Module, Technologietransfer, Exzellenz (...-Initiative, …-Cluster, …-Uni), Förderungsinstrumente …

Ab nach Berlin! Die Aufdinglichkeit der einzelnen Undinge im unübersichtlichen Gesamtschwall ertränken.
 

Dienstag, 10. Juni 2014

brecht
Bertold Brecht, wartend auf das Ende der Umbruchszeit (Vorplatz Berliner Ensemble)